02.03.12

Eine Wahre Geschichte vom Sauer Heinz


Die Ankündigung eines Jazz-Konzertes, auf Badische-Zeitung-online entdeckt, eröffnete mir eine phantastische, unglaubliche Geschichte. Diese schrieb ich sofort nach dem Konzert daheim auf. Dies war notwendig, die Eindrücke waren zu frisch und wertvoll, als dass ich ins Bettele hätte gehen können. Man könnte die Geschichte noch mit Details abrunden, aber diese allererste Fassung, in einem Guß dahergerotzt, die will ich doch präsentieren -"Eine Wahre Geschichte vom Sauer Heinz" - first take. 


Am Sonntag, dem 26.02.2012, gastierte ein Jazz-Duo im Jazzhaus. Die Ankündigung für diesen Gig
entlehnte ich der BZ-O  .                                                                                                                 Überschrift: „Ein altgedientes Duo.“

(Am Besten Überschrift klicken :)
Darunter ein Bild, ein sehr schönes Bild, von Heinz Sauer mithochgestrecktem Arm und Zeigefinger. 

Na, klickerts ?

Also, wer mich sehr gut kennt, der weiß, was jetzt folgen muss. Aber wer kennt mich schon sehr gut. Manchmal habe ich selber Schwierigkeiten mit dieser Angelegenheit. Ist aber egal, denn ich fahre fort :

Auf dem Bild ist doch „nur“ Sauer zu sehen, der Platz neben ihm : leer !
Und ? Jetzt kapiert ? Nee ?

Nun gut, weiter : Meine logische Zielsetzung werde sein müssen, dieses Konzert aufzusuchen und das „Manko“ des fehlenden Duo-Partners aus der Welt zu schaffen. Los geht´s .

Eine Eintrittskarte besorgte ich mir zeitnah. Meine Grundausstattung ist allzeit flexibel einsetzbar : Camera, Perücken, Schals, Parfüm, usw. in gutem Benehmen.

Ich heiße übrigens Klemens Kuch, habe einen schönen, stressigen Beruf. Nebenbei betreibe ich einen Fußball-Blog im Internet. Entstanden aus dem „BZ-O-SC-Freiburg-Blog“, nunmehr weiter vor sich hindümpelnd als Provisorium, demnächst mit neuer Aufmache, ich bin in der Vorbereitungsphase. Zum Zeitpunkt des Konzertes gibt es Stress im Blog wegen Herrschaften, die meinen, …aber das ist eine andere Geschichte.
Da ich am Sonntag Spätdienst hatte, war klar, dass ich den Konzertbeginn nicht erleben konnte. War auch egal, ich führte etwas ganz anderes im Schilde, und dies will ich erzählen.

Schon vor Dienstbeginn, ich schloss gerade mein Fahrrad ab, sprach mich eine Dame an, die mir beruflich anvertraut ist : „Haben sie mir bitte eine Zigarette“
Komisch, normalerweise spricht mich diese Dame nie an, es muss wohl daran gelegen haben, dass ich just „Glenn Millers In The Mood“ gepfiffen hatte.
Ich brachte die Standart-Ausrede: „Nein, leider nicht. Ich muss mich jetzt auch umziehen und hoch. Dort warten 40 Leute, denen ich helfen muss“
Die Dame reagierte nicht sauer, wie es in solchen Abwimmel-Situationen üblich ist. Ganz im Gegenteil. Das Zauberwort war wohl „Helfen“.
Sie sagte überraschenderweise: „Na gut, dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg.“
Dieses erregte nun meine Aufmerksamkeit: „Wieso Erfolg ?“
„Na weil Sie 40 Leuten helfen wollen.“
(Ich verstand und antwortete:)
„Lustig, meine Arbeit oben, die erledige ich heute gewohnt gut und zufrieden stellend. Aber nach der Arbeit werde ich zu einem Konzert im Jazzhaus gehen …“
„Aaach wie schön, ich mag Jazz“
Jetzt erst bemerkte ich, dass ich der Dame schon längst eine Zigarette angeboten hatte und wir genüsslich palaverten …
Zur Arbeit erschien ich  pünktlich, der Dienst verlief normal stressig anregend.

Feierabend, Umziehen, Frischmachen, zum Jazzhaus. 

Dort begannen meine Erkundigungsfragen gleich beim netten Mann am Einlaß. Auch weitere Personen wurden dezent von mir befragt.
Ich fasse zusammen : Die Pause war gerade vorüber. Heinz Sauer und Bob Degen spielten gerade das erste Lied nach der Pause. Mich vorsichtig vorne hinsetzen und mit diversen kleinen Videoaufnahmen loslegen : lieber nicht. Das hätte ich in der Pause fragen sollen. Vollste Akzeptanz meinerseits. Degens Frau war gerade noch im Hotel nebenan. Wie ich vermutete, bestätigte mir Einer: sie schaute dort lieber fern, das Duo hatte sie schon oft bewundert.
Ach ja: „Auf dem Konzert“ war ich auch noch. Ein dufte Plätzle Bühnennah, mit Anlehnmöglichkeit an den Steinpfosten des ehemaligen Weinkellers. Aus gutem Grund:
Ich stieg ein beim zweiten „Lied“ nach der Pause :
Don´t explain!

So wie das „viel Erfolg“ der oben erwähnten Dame, kann dieses Lied, ein Jazzstandart, mit Billy Holiday assoziiert, kein Zufall sein. Was es genau bedeutet, kann ich jetzt nicht genau sagen. Ergriffen hat es mich. Nach getanem Tagwerk, Dieser sonore Sound des Sauer-saxes, diese Tiefe, Wärme, überraschende Wendungen der Improvisationsdarbietung, die Sauer´schen Protestandeutungen, sein ganzen Vokabular meisterhaft dargeboten. Dazu die kongeniale Begleitung von Bob. In sich versunken (die Herren scheinen sich längst vertrautenst zu kennen …), eine wirklich degenöse souveräne Wahl der zu drückenden Piano-Tasten (ein dededede-Flügel, Name muss ich noch mal nachschauen) , geschmackvoll  serviert, sein ihm typisches Panoptikum anbietend, mit leichten Boogie-Einstreuungen, phantastischer Duo-Partner.
Nebenbei musste ich ein paar Spontan-Tränchen trocknen. Also dieser eine musikalische Vortrag war allein sein Eintrittsgeld schon wert. (Mein Hauptanliegen sollte aber doch erst nach dem Konzert beginnen, also blieb ich not-gedrungen.)
Das nächste Lied war etwas schnelleres, ich hatte auch schon (kurz) in die Rolle des Jazzkritikers gewechselt und mir paar wichtige Notizen gemacht.
Zum Beispiel : Körpersprache: authentisch. Bob in sich versunken, ein zur Schau stellendes mit-den-Augen-den-Partner-suchen – Fehlanzeige. Die kennen sich blind.
Sauer,mit seinen fast 80 Lenzen, immer etwas in Bewegung, schaukelnd, sein „baby“ wiegend, auch mal den Raum ausfüllend, mit vollem Ton nach hier und da wandernd, seine Botschaft in alle Ecken ablassend. Wenn er steht und spielt: leichter Ausfallschritt, mit ganzer Körperbewegung und Mimik seine Geschichten erzählend. (Einzelheiten bitte bei der Abteilung Konzertkritik nachlesen (…->link…?) )  

Das dritte Stück war „Lushlife“ !
Erst pendelt Sauer tönemäßig die Klappen ab, seinem Horn ist noch nicht zu entnehmen, wohin die Reise geht, ein Vorspiel halt.
Dann die Melodie (das Publikum denkt: „Aaaah, Lushlife“, einer versucht gar anzufangen zu klatschen. Das war ok. Auch dass das spärliche Auditorium nicht mitzog. Selbst bei brillianten Soli im Vortrag des Duos wurde diszipliniert nicht dazwischengeklatscht. Einen ernsthaften Vortrag also ermöglichend.) ….ähm, wo waren wir, achso,  dann die Melodie : eindeutig erkennbar. Der Sax-Sound: wie ankommende Schiffshörner platziert, sparsam aber nicht zu wenig. Ein gesundes Maß. Als würde einer mit dem Schiff ankommen, durch den Nebel, irgendeinen Hafen erreichend. Schöne Möglichkeit der Interpretation.

Nach dem „Lushlife“ lernte ich eine weitere Facette von Heinz Sauer kennen. Er sprach.
Er sagte: „Dies war ein Stück, das wir früher gerne gespielt haben. „Lushlife“ . Wer hat es noch mal geschrieben ? …“
( Obacht = Frage an das Publikum ! Mein Schädel vibrierte, fast hätte ich den falschen Namen gesagt, verwechselte ich doch mit „Sophisticated Lady“, ein anderer Zuhörer kam mir zuvor mit dem falschen Gershwin oder so…)
Sauer erinnerte sich wieder  :
„Von Billy Strayhorn“
(Mensch bin ich blöd, natürlich, jetzt fiel mir meine CD „Joe Henderson plays Strayhorn“ ein. Ich Dubel. Glück gehabt ob meiner Zurückhaltung..)
(Den Musiker Sauer hatte ich mal kennengelernt auf irgendwelchen Frankfurter Jazztage, mit Archie Shepp, oder George Adams, egal, ich schau daheim nach.)
Erst nach dem Konzert, im Gespräch mit Heinz Sauer, fiel mir die versteckte Botschaft auf.
Weiter der Reihe nach.
Sauer nun, als Zugabenankündigung : „Zum Abschluss spielen wir, mit einer gewissen Zeitumstellung (oder hatte er Zeitverschiebung gesagt ? Egal, aufjedenfall schwang Heinz Betont theatralisch seinen Arm vor die Augen und kontrollierte die Armbanduhr) :
„Round Midnight“ (Es war halt erst rund halb zehn, also der Mann nimmt´s genau!)
In diesem Stück ist mir aufgefallen, dass ich kurz klare „Happy Birthday“ Einsprengsel im Degen-solo meinte erkannt zu haben.
Die (kurze) Zu-Zugabe leitete Sauer mit einem typischen Sauer ein : „Ein letztes  Stück von früher. Vor Jahren haben wir es schon gern gespielt. Wir nannten es damals schon „Damals vor Jahren !“

Konzert fertig, nun begann ich konsequent mit meiner Arbeit.

Zusammenfassung: Kontaktaufnahme mit Reiner Kobe, den ich bisher nicht kannte, aber durch gezielte Vorortrecherche ausfindig machen konnte. Schließlich musste ja der BZ Fachmann vor Ort sein.  Kleines Gespräch. Visitenkarte. Nett.
Über einen auch noch arbeitenden Instrumenten-versorger, Kontakt hergestellt zum Musikveranstalter. (Auch ein netter.) Unterwegs erfuhr ich „Sauer sei kompliziert“. Dies schreckte mich nicht ab, zu überzeugt war ich von meinem nicht alltäglichen Vorhaben.
Letztendlich : Ich werde in den Backstagebereich gewunken. Ich habe Sauer und Degen für mich !!! Beste Vorrausetzungen also für die Vollendung meines Planes.

Was jetzt folgte. Das würde ein eigenes Buch werden können. Ich kannte ja Sauer noch nicht vom Miteinander-sprechen. Er mich auch noch nicht. Ich durfte sprechen. Ich sprach, die Wortwahl und der Sprechzeitpunkt – ideal platziert. Pausen musste ich einlegen, als der Veranstalter dazwischenkam und sich verabschiedete. Ein paar Schritte von mir zurück waren angebracht.
Ich glaube, Sauer und Degen waren etwas angetan. Meiner Idee, das schöne Bild von der BZ zu vervollständigen, sie haben mitgemacht. Mehr noch. Degen, der so gut fotographiert wie er spielt, mit dem Schnappschuss: Bomber und Sauer .
Nebenbei entfleuchte mir gar noch eine Botschaft an Sauer, die sich im Zwiegespräch ergab.
Der Veranstalter verabschiedete sich mit den netten Worte: „Bleib gesund, Heinz. Und: die Musik lebt weiter.“
Heinz Sauer erwiderte, zu meiner Verwunderung: „Nein, nicht die Musik lebt weiter. Wir leben weiter !
Daaaa  hatte ich den Sauer plötzlich richtig verstanden. Und seine Bemerkungen bei den Songs. Der hat doch ernsthaft Zweifel, ob seine Musik weiterlebt, wo doch immer weniger Publikum kommt. Wo doch nicht mehr,  von z.B. Banken usw., in Jazz investiert wird.
Intuitiv intervenierte ich : „Einspruch, Herr Sauer ! Es ist nicht so, dass der Zulauf in den Jazzkeller ein Parameter für das Interesse des Publikums ist. Schauen Sie mich an. Geschafft bis 9 und dann am Start ab „Don´t explain“. Die anderen Hansele im Publikum, die haben es auch irgendwie hergeschafft. Aber Ihre Musik wird   weiterleben, weil Leute wie ich sie im Internet erwähnen werden. Auch in einem Fußball-Blog.“
Heinz Sauer war, glaube ich, beeindruckt. Anders konnte ich mir sein Innehalten und Kopf nach meiner Richtung wenden nicht erklären.
(Sauer war während unseres meetings auch mit einpacken beschäftigt, auch eine Clementine, dies galt es, von meiner Seite her gesehen, auch nicht zu stören …) .
Wenn ich was veröffentliche, würde er es auch lesen wollen. Auch den SC Fußball Blog. (!!).
Er sei jetzt nicht so Fußball wie ich. Aber bei seinem letzten Auftritt hier habe Freiburg gerade gewonnen. Es sei dufte gewesen, im Publikum sei die la Ola geschwappt (Und ich war nicht dabei, ich Kulturbanause..)
Ich komme zum Schluss. Das mit dem „Happy Birthday Einsprengsel“ , also nein, keiner habe Geburtstag, aber mein Ansatz sei interessant ..
Die Frage, ob Frau Degen im Hotel etwas bestimmtes im TV schauen musste („Nein, nur so fernsehen“) habe ich auch noch geklärt. Eine nette Verabschiedung und das wars !

Vor dem Jazzhaus noch ein kleines Gespräch mit Mike Schweizer, netter Lokal-Sax-Gigant und SC-Fan. Der meinte, ich hätte ja verrückte Ideen. Ich meinte, die hätte er doch auch. Er auf dem Sax, ich mit dem Schreiben.

Dass die Bilder, der amateurhaften Situation geschuldet, für mich sensationell ausgefallen sind, erblickte ich erst daheim am PC.
Ein Tag voller Überraschung, sich erfüllender guter vibes, das Vorhaben, ein altgedientes Duo zu würdigen – ich bin damit zufrieden.

Ach so: zwei Bilder noch :

Foto von : Bomber

Foto von Bob Degen




Ich werde noch recherchieren, wer die Dame ist, die uns die ganze Zeit zuschaute ... adda.

2 Kommentare:

  1. 0 Kommentare? Na dann wird's aber Zeit. Endlich hat sich mir, die ach so wichtige Frage, von wem ich mein "literarisches Talent" geerbt habe, beantwortet.
    Von Jazzmusik habe ich keine Ahnung, aber mein Gespür sagt mir, dass der Artikel wohl ganz gut gelungen ist.
    Ich wusste gar nicht, dass Frau Schweiß im gleichen Haus arbeitet... Sie hätten sie wirklich mit zu dem Konzert nehmen sollen. Kultur kann ja nicht schaden.

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  2. "Tja, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Jazzfreunde !
    Ich melde mich heute aus dem Jenseits. Meeting of the Spirits. Was ist Jazz ? Was ist Klang ? A Love Supreme. Höre ich das, was ich bin ? Was bin ich ?
    Nun, 10 Jahre später, nach diesem Konzert im Jazzhaus, wird einer wachsenden Zahl bewußt, was Heinz Sauer und Bob Degen bedeutet. Das Duo. Es ist das DUO schlechthin.
    Ein erster großer Erfolg war Sauer&Degen : Ellingtonia Revisited ! (1980). Sie spielten beide im Jazz-Ensemble des Hessischen Rundfunks . Und dann ging Degen 1999 nach Amerika.. (Er kam zwar später wieder, aber der Pianohocker musste besetzt werden -> der junge Michael Wollny überzeugte, die alten Meister spürten, dass er der Knaller war.Ein tolles Album Sauer/Wollny: Melancholia (2005)
    Sauer trat mit Degen-Duo, mit Wollny-Duo auf, je nachdem wer da war..
    Sauer, Degen, 26.02.2012 im Jazzhaus.
    Im gleichen Jahr noch Sauer, Wollny, Don´t Explain, (Live) (02.09.2012-Darmstadt)
    Ich sags mal so, die getrübtsinnige Stimmung aus dem Jazzhaus, von der Klemens Kuch berichtete, scheint verflogen. Michael Wollny und seine modernen Geister lassen alle Alt-Zweifel hinter sich. Es mag auch eine Rolle spielen, da bin ich überzeugt davon, dass, Sauer wollte doch das Geschriebene von Klemens Kuch lesen, und Infos zum Sport-Club Fußball. Er hat das natürlich gemacht. Sie kennen ihn ja. Eine Antwort von Sauer kam nie. Das ist auch nicht nötig. Und typisch Sauer.
    Schließlich ist er bald 80 geworden, damals.

    Jetzt muss man sagen, Heinz Sauer ist bald 93 Jahre alt. Und Bob Degen ist ist 81 Jahre alt.
    Der Job, den Jazz zu verbreiten, übernimmt nun Michael Wollny, jawoll .

    Man denke nur an seinen grandiosen Trio Auftritt im Forum Merzhausen . Die Beschreibung von Kuch und seine Fotos, die sind jazzhistorisch wiedermal ein Genuß.
    Guten Abend, meine sehr verehrten Damen und Herren, es verabschiedet sich Ihr Joachim-Ernst Berendt !"

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