Die Ankündigung eines Jazz-Konzertes, auf Badische-Zeitung-online entdeckt, eröffnete mir eine phantastische, unglaubliche Geschichte. Diese schrieb ich sofort nach dem Konzert daheim auf. Dies war notwendig, die Eindrücke waren zu frisch und wertvoll, als dass ich ins Bettele hätte gehen können. Man könnte die Geschichte noch mit Details abrunden, aber diese allererste Fassung, in einem Guß dahergerotzt, die will ich doch präsentieren -"Eine Wahre Geschichte vom Sauer Heinz" - first take.
Am Sonntag, dem 26.02.2012, gastierte ein Jazz-Duo im
Jazzhaus. Die Ankündigung für diesen Gig
entlehnte ich der BZ-O . Überschrift: „Ein altgedientes Duo.“
entlehnte ich der BZ-O . Überschrift: „Ein altgedientes Duo.“
Darunter ein Bild, ein sehr schönes Bild, von Heinz Sauer mithochgestrecktem Arm und Zeigefinger.
Na, klickerts ?
Also, wer mich sehr gut kennt, der weiß, was jetzt folgen muss. Aber wer kennt mich schon sehr
gut. Manchmal habe ich selber Schwierigkeiten mit dieser Angelegenheit. Ist
aber egal, denn ich fahre fort :
Auf dem Bild ist doch „nur“ Sauer zu sehen, der Platz neben
ihm : leer !
Und ? Jetzt kapiert ? Nee ?
Nun gut, weiter : Meine logische Zielsetzung werde sein
müssen, dieses Konzert aufzusuchen und das „Manko“ des fehlenden Duo-Partners
aus der Welt zu schaffen. Los geht´s .
Eine Eintrittskarte besorgte ich mir zeitnah. Meine
Grundausstattung ist allzeit flexibel einsetzbar : Camera, Perücken, Schals,
Parfüm, usw. in gutem Benehmen.
Ich heiße übrigens Klemens Kuch, habe einen schönen,
stressigen Beruf. Nebenbei betreibe ich einen Fußball-Blog im Internet.
Entstanden aus dem „BZ-O-SC-Freiburg-Blog“, nunmehr weiter vor sich hindümpelnd als Provisorium, demnächst mit
neuer Aufmache, ich bin in der Vorbereitungsphase. Zum Zeitpunkt des Konzertes
gibt es Stress im Blog wegen Herrschaften, die meinen, …aber das ist eine
andere Geschichte.
Da ich am Sonntag Spätdienst hatte, war klar, dass ich den
Konzertbeginn nicht erleben konnte. War auch egal, ich führte etwas ganz
anderes im Schilde, und dies will ich erzählen.
Schon vor Dienstbeginn, ich schloss gerade mein Fahrrad ab,
sprach mich eine Dame an, die mir beruflich anvertraut ist : „Haben sie mir
bitte eine Zigarette“
Komisch, normalerweise spricht mich diese Dame nie an, es
muss wohl daran gelegen haben, dass ich just „Glenn Millers In The Mood“
gepfiffen hatte.
Ich brachte die Standart-Ausrede: „Nein, leider nicht. Ich
muss mich jetzt auch umziehen und hoch. Dort warten 40 Leute, denen ich helfen
muss“
Die Dame reagierte nicht sauer, wie es in solchen
Abwimmel-Situationen üblich ist. Ganz im Gegenteil. Das Zauberwort war wohl
„Helfen“.
Sie sagte überraschenderweise: „Na gut, dann wünsche ich
Ihnen viel Erfolg.“
Dieses erregte nun meine Aufmerksamkeit: „Wieso Erfolg ?“
„Na weil Sie 40 Leuten helfen wollen.“
(Ich verstand und antwortete:)
„Lustig, meine Arbeit oben, die erledige ich heute gewohnt
gut und zufrieden stellend. Aber nach der Arbeit werde ich zu einem Konzert im
Jazzhaus gehen …“
„Aaach wie schön, ich mag Jazz“
Jetzt erst bemerkte ich, dass ich der Dame schon längst eine
Zigarette angeboten hatte und wir genüsslich palaverten …
Zur Arbeit erschien ich
pünktlich, der Dienst verlief normal stressig anregend.
Feierabend, Umziehen, Frischmachen, zum Jazzhaus.
Dort begannen meine Erkundigungsfragen gleich beim netten
Mann am Einlaß. Auch weitere Personen wurden dezent von mir befragt.
Ich fasse zusammen : Die Pause war gerade vorüber. Heinz
Sauer und Bob Degen spielten gerade das erste Lied nach der Pause. Mich
vorsichtig vorne hinsetzen und mit diversen kleinen Videoaufnahmen loslegen :
lieber nicht. Das hätte ich in der Pause fragen sollen. Vollste Akzeptanz
meinerseits. Degens Frau war gerade noch im Hotel nebenan. Wie ich vermutete,
bestätigte mir Einer: sie schaute dort lieber fern, das Duo hatte sie schon oft
bewundert.
Ach ja: „Auf dem Konzert“ war ich auch noch. Ein dufte
Plätzle Bühnennah, mit Anlehnmöglichkeit an den Steinpfosten des ehemaligen
Weinkellers. Aus gutem Grund:
Ich stieg ein beim zweiten „Lied“ nach der Pause :
„Don´t explain!“
So wie das „viel Erfolg“ der oben erwähnten Dame, kann
dieses Lied, ein Jazzstandart, mit Billy Holiday assoziiert, kein Zufall sein.
Was es genau bedeutet, kann ich jetzt nicht genau sagen. Ergriffen hat es mich.
Nach getanem Tagwerk, Dieser sonore Sound des Sauer-saxes, diese Tiefe, Wärme,
überraschende Wendungen der Improvisationsdarbietung, die Sauer´schen
Protestandeutungen, sein ganzen Vokabular meisterhaft dargeboten. Dazu die
kongeniale Begleitung von Bob. In sich versunken (die Herren scheinen sich
längst vertrautenst zu kennen …), eine wirklich degenöse souveräne Wahl der zu
drückenden Piano-Tasten (ein
dededede-Flügel, Name muss ich noch mal nachschauen) , geschmackvoll serviert, sein ihm typisches Panoptikum
anbietend, mit leichten Boogie-Einstreuungen, phantastischer Duo-Partner.
Nebenbei musste ich ein paar Spontan-Tränchen trocknen. Also
dieser eine musikalische Vortrag war allein sein Eintrittsgeld schon wert.
(Mein Hauptanliegen sollte aber doch erst nach dem Konzert beginnen, also blieb
ich not-gedrungen.)
Das nächste Lied war etwas schnelleres, ich hatte auch schon
(kurz) in die Rolle des Jazzkritikers gewechselt und mir paar wichtige Notizen
gemacht.
Zum Beispiel : Körpersprache: authentisch. Bob in sich
versunken, ein zur Schau stellendes mit-den-Augen-den-Partner-suchen –
Fehlanzeige. Die kennen sich blind.
Sauer,mit seinen fast 80 Lenzen, immer etwas in Bewegung,
schaukelnd, sein „baby“ wiegend, auch mal den Raum ausfüllend, mit vollem Ton
nach hier und da wandernd, seine Botschaft in alle Ecken ablassend. Wenn er
steht und spielt: leichter Ausfallschritt, mit ganzer Körperbewegung und Mimik
seine Geschichten erzählend. (Einzelheiten bitte bei der Abteilung
Konzertkritik nachlesen (…->link…?)
)
Das dritte Stück war „Lushlife“ !
Erst pendelt Sauer tönemäßig die Klappen ab, seinem Horn ist
noch nicht zu entnehmen, wohin die Reise geht, ein Vorspiel halt.
Dann die Melodie (das Publikum denkt: „Aaaah, Lushlife“,
einer versucht gar anzufangen zu klatschen. Das war ok. Auch dass das spärliche
Auditorium nicht mitzog. Selbst bei brillianten Soli im Vortrag des Duos wurde
diszipliniert nicht
dazwischengeklatscht. Einen ernsthaften Vortrag also ermöglichend.) ….ähm, wo
waren wir, achso, dann die Melodie :
eindeutig erkennbar. Der Sax-Sound: wie ankommende Schiffshörner platziert,
sparsam aber nicht zu wenig. Ein gesundes Maß. Als würde einer mit dem
Schiff ankommen, durch den Nebel, irgendeinen Hafen erreichend. Schöne
Möglichkeit der Interpretation.
Nach dem „Lushlife“ lernte ich eine weitere Facette von
Heinz Sauer kennen. Er sprach.
Er sagte: „Dies war ein Stück, das wir früher gerne gespielt
haben. „Lushlife“ . Wer hat es noch mal geschrieben ? …“
( Obacht = Frage
an das Publikum ! Mein Schädel vibrierte, fast hätte ich den falschen Namen
gesagt, verwechselte ich doch mit „Sophisticated Lady“, ein anderer Zuhörer kam
mir zuvor mit dem falschen Gershwin oder so…)
Sauer erinnerte sich wieder
:
„Von Billy Strayhorn“
(Mensch bin ich blöd, natürlich, jetzt fiel mir meine CD
„Joe Henderson plays Strayhorn“ ein. Ich Dubel. Glück gehabt ob meiner
Zurückhaltung..)
(Den Musiker Sauer hatte ich mal kennengelernt auf
irgendwelchen Frankfurter Jazztage, mit Archie Shepp, oder George Adams, egal,
ich schau daheim nach.)
Erst nach dem Konzert, im Gespräch mit Heinz Sauer, fiel mir
die versteckte Botschaft auf.
Weiter der Reihe nach.
Sauer nun, als Zugabenankündigung : „Zum Abschluss spielen
wir, mit einer gewissen Zeitumstellung (oder
hatte er Zeitverschiebung gesagt ? Egal, aufjedenfall schwang Heinz Betont theatralisch
seinen Arm vor die Augen und kontrollierte die Armbanduhr) :
„Round Midnight“ (Es war halt erst rund halb zehn, also der
Mann nimmt´s genau!)
In diesem Stück ist mir aufgefallen, dass ich kurz klare
„Happy Birthday“ Einsprengsel im Degen-solo meinte erkannt zu haben.
Die (kurze) Zu-Zugabe leitete Sauer mit einem typischen
Sauer ein : „Ein letztes Stück von
früher. Vor Jahren haben wir es schon gern gespielt. Wir nannten es damals
schon „Damals vor Jahren !“
Konzert fertig, nun begann ich konsequent mit meiner Arbeit.
Zusammenfassung: Kontaktaufnahme mit Reiner Kobe, den ich
bisher nicht kannte, aber durch gezielte Vorortrecherche ausfindig machen
konnte. Schließlich musste ja der BZ Fachmann vor Ort sein. Kleines Gespräch. Visitenkarte. Nett.
Über einen auch noch arbeitenden Instrumenten-versorger,
Kontakt hergestellt zum Musikveranstalter. (Auch ein netter.) Unterwegs erfuhr
ich „Sauer sei kompliziert“. Dies schreckte mich nicht ab, zu überzeugt war ich
von meinem nicht alltäglichen Vorhaben.
Letztendlich : Ich werde in den Backstagebereich gewunken.
Ich habe Sauer und Degen für mich !!! Beste Vorrausetzungen also für die
Vollendung meines Planes.
Was jetzt folgte. Das würde ein eigenes Buch werden können.
Ich kannte ja Sauer noch nicht vom Miteinander-sprechen. Er mich auch noch
nicht. Ich durfte sprechen. Ich sprach, die Wortwahl und der Sprechzeitpunkt –
ideal platziert. Pausen musste ich einlegen, als der Veranstalter dazwischenkam
und sich verabschiedete. Ein paar Schritte von mir zurück waren angebracht.
Ich glaube, Sauer und Degen waren etwas angetan. Meiner
Idee, das schöne Bild von der BZ zu vervollständigen, sie haben mitgemacht.
Mehr noch. Degen, der so gut fotographiert wie er spielt, mit dem
Schnappschuss: Bomber und Sauer .
Nebenbei entfleuchte mir gar noch eine Botschaft an Sauer,
die sich im Zwiegespräch ergab.
Der Veranstalter verabschiedete sich mit den netten Worte:
„Bleib gesund, Heinz. Und: die Musik lebt weiter.“
Heinz Sauer erwiderte, zu meiner Verwunderung: „Nein, nicht
die Musik lebt weiter. Wir leben weiter !“
Daaaa hatte ich den Sauer plötzlich richtig
verstanden. Und seine Bemerkungen bei den Songs. Der hat doch ernsthaft
Zweifel, ob seine Musik weiterlebt, wo doch immer weniger Publikum kommt. Wo
doch nicht mehr, von z.B. Banken usw., in Jazz investiert wird.
Intuitiv intervenierte ich : „Einspruch, Herr Sauer ! Es ist nicht so, dass der Zulauf in den
Jazzkeller ein Parameter für das Interesse des Publikums ist. Schauen Sie mich
an. Geschafft bis 9 und dann am Start ab „Don´t explain“. Die anderen Hansele
im Publikum, die haben es auch irgendwie hergeschafft. Aber Ihre Musik wird weiterleben, weil Leute wie ich sie im
Internet erwähnen werden. Auch in einem Fußball-Blog.“
Heinz Sauer war, glaube ich, beeindruckt. Anders konnte ich
mir sein Innehalten und Kopf nach meiner Richtung wenden nicht erklären.
(Sauer war während unseres meetings auch mit einpacken
beschäftigt, auch eine Clementine, dies galt es, von meiner Seite her gesehen,
auch nicht zu stören …) .
Wenn ich was veröffentliche, würde er es auch lesen wollen.
Auch den SC Fußball Blog. (!!).
Er sei jetzt nicht so Fußball wie ich. Aber bei seinem
letzten Auftritt hier habe Freiburg gerade gewonnen. Es sei dufte gewesen, im
Publikum sei die la Ola geschwappt (Und ich war nicht dabei, ich Kulturbanause..)
Ich komme zum Schluss. Das mit dem „Happy Birthday
Einsprengsel“ , also nein, keiner habe Geburtstag, aber mein Ansatz sei
interessant ..
Die Frage, ob Frau Degen im Hotel etwas bestimmtes im TV
schauen musste („Nein, nur so fernsehen“) habe ich auch noch geklärt. Eine
nette Verabschiedung und das wars !
Vor dem Jazzhaus noch ein kleines Gespräch mit Mike
Schweizer, netter Lokal-Sax-Gigant und SC-Fan. Der meinte, ich hätte ja
verrückte Ideen. Ich meinte, die hätte er doch auch. Er auf dem Sax, ich mit
dem Schreiben.
Dass die Bilder, der amateurhaften Situation geschuldet, für
mich sensationell ausgefallen sind, erblickte ich erst daheim am PC.
Ein Tag voller
Überraschung, sich erfüllender guter vibes, das Vorhaben, ein altgedientes Duo zu würdigen – ich bin damit zufrieden.
Ach so: zwei Bilder noch :
0 Kommentare? Na dann wird's aber Zeit. Endlich hat sich mir, die ach so wichtige Frage, von wem ich mein "literarisches Talent" geerbt habe, beantwortet.
AntwortenLöschenVon Jazzmusik habe ich keine Ahnung, aber mein Gespür sagt mir, dass der Artikel wohl ganz gut gelungen ist.
Ich wusste gar nicht, dass Frau Schweiß im gleichen Haus arbeitet... Sie hätten sie wirklich mit zu dem Konzert nehmen sollen. Kultur kann ja nicht schaden.
"Tja, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Jazzfreunde !
AntwortenLöschenIch melde mich heute aus dem Jenseits. Meeting of the Spirits. Was ist Jazz ? Was ist Klang ? A Love Supreme. Höre ich das, was ich bin ? Was bin ich ?
Nun, 10 Jahre später, nach diesem Konzert im Jazzhaus, wird einer wachsenden Zahl bewußt, was Heinz Sauer und Bob Degen bedeutet. Das Duo. Es ist das DUO schlechthin.
Ein erster großer Erfolg war Sauer&Degen : Ellingtonia Revisited ! (1980). Sie spielten beide im Jazz-Ensemble des Hessischen Rundfunks . Und dann ging Degen 1999 nach Amerika.. (Er kam zwar später wieder, aber der Pianohocker musste besetzt werden -> der junge Michael Wollny überzeugte, die alten Meister spürten, dass er der Knaller war.Ein tolles Album Sauer/Wollny: Melancholia (2005)
Sauer trat mit Degen-Duo, mit Wollny-Duo auf, je nachdem wer da war..
Sauer, Degen, 26.02.2012 im Jazzhaus.
Im gleichen Jahr noch Sauer, Wollny, Don´t Explain, (Live) (02.09.2012-Darmstadt)
Ich sags mal so, die getrübtsinnige Stimmung aus dem Jazzhaus, von der Klemens Kuch berichtete, scheint verflogen. Michael Wollny und seine modernen Geister lassen alle Alt-Zweifel hinter sich. Es mag auch eine Rolle spielen, da bin ich überzeugt davon, dass, Sauer wollte doch das Geschriebene von Klemens Kuch lesen, und Infos zum Sport-Club Fußball. Er hat das natürlich gemacht. Sie kennen ihn ja. Eine Antwort von Sauer kam nie. Das ist auch nicht nötig. Und typisch Sauer.
Schließlich ist er bald 80 geworden, damals.
Jetzt muss man sagen, Heinz Sauer ist bald 93 Jahre alt. Und Bob Degen ist ist 81 Jahre alt.
Der Job, den Jazz zu verbreiten, übernimmt nun Michael Wollny, jawoll .
Man denke nur an seinen grandiosen Trio Auftritt im Forum Merzhausen . Die Beschreibung von Kuch und seine Fotos, die sind jazzhistorisch wiedermal ein Genuß.
Guten Abend, meine sehr verehrten Damen und Herren, es verabschiedet sich Ihr Joachim-Ernst Berendt !"